Biografie

Johann Michael Haydn

lebte und wirkte 43 Jahre in Salzburg. Er war mit und nach W. A. Mozart die führende Musikerpersönlichkeit am fürsterzbischöflichen Hof. Ein Meister der Kirchenmusik, ausgezeichnet durch Kompositionsaufträge europäischer Fürstenhöfe, Lehrer und Vorbild großer Musiker. Sein Leben fiel in eine Zeit politischer, gesellschaftlicher und musikalischer Umbrüche und Veränderungen. In einer zunehmend von den Ideen der Aufklärung bestimmten Welt erlebte er hautnah die Reformvorhaben Fürsterzbischofs Colloredo, die Auswirkungen der Französische Revolution, den Beginn der napoleonischen Ära und den Aufbruch der sich aus diesem Wandel formierenden neuen bürgerlichen Gesellschaft.

Reiches kompositorisches Schaffen.

Michael Haydns Opus ist umfangreich und vielgestaltig: Es umfasst 838 Werke in nahezu allen Musikgattungen seiner Zeit. Den Schwerpunkt bildet, anders als bei Joseph Haydn und W. A. Mozart, die Kirchenmusik, mit der er zum Vorbild für eine ganze Generation von Musikern im süddeutsch-österreichischen Raum wurde.

Von besonderer Bedeutung sind die frühen Instrumentalwerke mit ihren originellen formalen Lösungen und fantasievollen Besetzungen, die großen Serenaden, die von Einfällen sprühenden musikdramatischen Werke für das Universitätstheater, das umfangreiche kirchenmusikalische Schaffen mit seinen traditionellen und progressiven Aspekten und im Bereich der Gesellschaftsmusik die innovativen Männerquartette, die den Weg für die großen Chor- und Männergesangsvereinigungen des 19. Jahrhunderts bereitet haben.

Großen Einfluss übte Michael Haydn auf W. A. Mozart aus, der aus seiner Musik wichtige Anregungen und Ideen bezog. Zahlreiche Spuren in den Werken Mozarts offenbaren diese maßgebliche Inspiration.

O Salzburg!

Anders als Mozart hat sich Michael Haydn in Salzburg zeitlebens wohl gefühlt. Diese tiefe innere Bindung führte dazu, dass er sich nie von Salzburg zu lösen vermochte, was auch Auswirkungen auf sein Werk zeitigte: Michael Haydn verharrte bis an sein Lebensende in seiner Salzburger Welt und damit künstlerisch letztlich in den hier dominierenden Konventionen, die sich, wie auch die abwechslungsreiche Geschichte der Stadt, in seinem Leben und Werk widerspiegeln. Er steht damit in direktem Gegensatz zu W. A. Mozart, der durch  viele Reisen seinen Horizont erweiterte, wechselnde Eindrücke erhielt und Bekanntschaft machte mit den berühmtesten Musikern seiner Zeit sowie den neuesten Strömungen und Entwicklungen der Musik.

Leben

Zitate

Wie aber Michael Haydn…in ganz Salzburg ungemein angesehen, und beliebt war, so gab er bald der ganzen salzburgischen Hof-, und Kirchen Musik eine ganz andere Gestalt, und Reform. Man wollte fast nirgendwo mehr etwas anderes hören, nichts anderes in Gotteshäusern von Kirchen Musik machen, als lauter Haydnsche Kompositionen … Haydn konnte beinahe nicht genug komponiren. Alle Philharmoniker hangen an ihm, verlangten Kompositionen und Haydn, damals ungemein lebhaft, thätig, und gefällig lieferte eine Menge derselben.

Er war sehr fleissig im Komponieren, und wer ihm die rastlose Tätigkeit darinnen abspricht, der darf wirklich einer Unwissenheit, oder Abneigung  bestrafft werden. Wären alle seine Werke versammelt; so macheten solche mehrer, als 20 dickleibige Folianten aus.

Salzburg wurde gar bald durch diesen Tonkünstler noch mehr berühmt und bekannt. Er war gleich kunsterfahren in der Violin, als an dem Klavezin, aber seine Stärke hatte er in seinen Kompositionen, besonders zum heiligen Gottesdienst, und zur Kirchenmusik, worinnen ihm gar keiner gleich kam unter allen anderen komponirenden Tonsetzern.

Doch machte er ein Nichts aus sich Selbst. Man könnte ihn einigermaßen einen Stoiker, einen trockenen Sokrates, und einen eigentlichen Philosophen nennen. Man hörte ihn in gesellschaftlichen Gesprächen wenig oder gar nichts reden, außer es war ein musikalisches Register…

P. Beda von Hübner OSB, 1806

 

Bevor Michael Haydn die Feder zur Arbeit ansetzte, durchdachte er den Gegenstand lange, betrachtete ihn von allen Seiten, besonders in Hinsicht auf den Inhalt und Ausdruck des Textes, (…) dann entwarf er Skizzen meistens mit beziffertem Baß, und schritt endlich zur Ausarbeitung des Werkes selbst, welches dann so schnell als glücklich zu Stande gebracht wurde. (…) Alle seine Sparten sind schön, richtig, deutlich – fast ohne Correktur oder Radierung, wie man sie kaum von einem anderen Tonsetzer zu sehen bekömmt, geschrieben. In jeder Sylbe des Textes steht richtig der Vokal gerade unter der Note, wohin seine Aussprach gehört. Die Bezifferung der Grundnoten ist zur Vermeidung aller Dissonanzen auf das genaueste hingeschrieben.

Er verstand es, wie keiner, den Geist der Dichtung und Rede in seiner ganzen Glorie in das Reich der Töne einzuführen, ohne dass er ihn je in einem einzigen Zuge entstellt hätte.

Er konnte kein Nachbether fremder Arbeiten seyn; denn sein Styl in der Kirchenmusik, worinn er sich besonders hervorthat, ist ganz original. Selbst sein Bruder Joseph bekannte ungeheuchelt, daß ihn Michael hierinn übertreffe; und vor ihm hatte noch keiner – selbst Mozart nicht, in dieses Fach gleiche Kunst, Harmonie, Würde und Andachtsgefühl hineingezaubert.

Biographie des Salzburgischen Concertmeisters Michael Haydn, 1808

 

…es wurde die Hautb:Meß [Oboen-Messe] vom Haydn gemacht, er Tacktierte sie selbst … Mir gefiehl alles ausserordentlich wohl … Die ganze Historie dauerte 5 viertl Stunde, und mir war es zu kurz, dann es war wirk[lich] trefflich geschrieben. Es geht alles natürlich fort; die Fugen, sonderheitl das Et vitam etc: im Credo und das Dona nobis, dann das alleluja im offertorio sind meisterlich durchgearbeitet, die themata natürlich und keine übertriebene modulation oder zu gähe Ausweichung angebracht. Das Graduale, anstatt der Sonaten ist ein förmlicher Contrapunkt durchaus in pieno … sollte ich diese Messe, über Kurz oder Lange bekommen können, so schicke ich dir solche gewiß.

Leopold Mozart an seinen Sohn W.A. Mozart über Michael Haydns Hieronymus-Messe, 1. 11. 1777

 

Michael Haydn hat lauter Meisterwerke geliefert – alles ist klassisch und neu … Mozart erkannte ihn für den größten Kirchenkomponisten …

Sigismund Ritter von Neukomm an den Verleger Kühnel in Leipzig,
14. 01. 1809

 

„Jeder Kenner der Tonkunst und ihrer Literatur weiß, und wusste schon längst, dass Michael Haydn, als Kirchencomponist, unter die ersten Künstler dieses Faches, aus jeder Zeit und jeder Nation gehört.“

E.T. A. Hoffmann, Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, 1812

 

Welche Kunst in seinen Kirchenmusiken herrsche, kann man daraus abnehmen, dass sein Bruder und Mozart ihm die Meisterschaft in dieser Gattung zuerkannten.

Ernst Ludwig Gerber, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (1812-1814)

 

 Rausch und Spiele waren ferne von ihm. Mäßigkeit in Denken, Reden, auch andere Musikwercke zu beurtheilen, war, was ihn geliebt und schätzenswerth machte.

Überall wo er sich einfand, war er hochbeliebt, und freundschaftlichst bei allen musikalischen Zusammenkünften geehret.

P. Gabriel Hutter OSB

 

Nichts gleicht und übertrifft den Satz und die erquickende Harmonie, die Michael in seine Kirchenmusik, in den Contrapunkt und in seine vierstimmigen kanonartigen Lieder zu zaubern weiß ….

Friedrich Graf Spaur, Nachrichten über das Erzstift Salzburg

 

Und ganz gewiß besäßen wir nicht das Finale der Jupiter-Sinfonie in seiner besonderen Gestalt, in seiner kontrapunktischen Haltung, ohne ein Fugato betiteltes Finale einer C-Dur-Sinfonie Michaels, datiert: 19. Februar 1788. Hier ist kein Zweifel möglich.

Alfred Einstein

 

Joseph eilt mit dem Schrittmaß des Genies ins Zeitlose, während der jüngere Bruder in freundlicher Behaglichkeit die einmal erreichte Höhe… und den wohlverdienten Ruhm des kleineren Kreises geruhsam festhält.

Bernhard PaumgartnerSalzburger Landes=Zeitung Nr. 33
vom 17. August 1956